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Der HMZ Award - The PhD team challenge für das Jahr 2022 geht an Florentin Liebman (UZH/Balgrist), Marco von Atzigen (UZH/Balgrist) und Julian Wolf (ETH) für ihr Projekt «Augmented Reality-based Surgical Navigation of Spinal Surgery». Das Projekt ist Teil des HMZ Flagship Projektes SURGENT.
Die drei Preisträger Florentin Liebmann (FL), Marco von Atzigen (MvA) und Julian Wolf (JW) diskutieren mit der Geschäftsführerin der HMZ, Corina Schütt (CS) über ihr Projekt, die Erfolgsrezepte und Chancen der Zusammenarbeit.
CS: Zuerst einmal herzliche Gratulation im Namen der Hochschulmedizin Zürich (HMZ) zum HMZ Award 2022! Sie arbeiten an einem faszinierenden Projekt, welches in Zukunft das Leben von Chirurginnen und Chirurgen vereinfachen wird.
MvA: Herzlichen Dank! Es ist uns allen eine grosse Ehre, diesen Preis zu erhalten, und wir freuen uns sehr, unsere Arbeit der letzten Jahre hier vorstellen zu dürfen. Mit unserem Projekt versuchen wir, die Operierenden während komplexen Operationsschritten mittels Computeralgorithmen und Augmented Reality zu unterstützen. Die Wirbelsäulenchirurgie ist für solche Unterstützung besonders geeignet, weil die Operierenden in der Nähe von wichtigen anatomischen Strukturen, wie zum Beispiel Nerven, sehr genau arbeiten müssen.
CS: Ihre Arbeit ist Teil des HMZ Flagship Projektes SURGENT. Sie waren als Dreier-Team von Beginn an treibende Nachwuchsforscher von SURGENT. Wie ist Ihre Arbeit in das Gesamtprojekt eingebettet?
MvA: Das Flagship Projekt SURGENT folgt strukturell dem Ablauf einer Operation. Erst kommen Patientinnen und Patienten zur Untersuchung, und mittels bildgebender Verfahren wie Computer Tomografie (CT) wird der aktuelle Stand aufgenommen. Diese Bilder werden dann automatisch in 3D Modelle umgewandelt (WP1), bevor augrund von biomechanischen Modellen die optimalen Operationsschritte geplant werden (WP2). Danach soll der Plan während der Operation unter Zuhilfenahme von Augmented Reality umgesetzt werden (WP3). Dabei soll das User Interface für die Operierenden möglichst einfach und effizient gewählt werden (WP4). Die Projekte von Florentin und mir befassten sich mit WP3, Julian engagierte sich in WP4. Da unsere Projekte direkten Einfluss aufeinander hatten, war unsere Zusammenarbeit von Anfang an sehr eng, und wir mussten eine konstruktive und effiziente Kommunikation miteinander aufbauen, um parallel Fortschritte erzielen zu können.
JW: Meine Arbeit läuft in WP4 mit dem Fokus auf eine intuitive Nutzerführung mit Augmented Reality, die den Nutzer situations- und fähigkeitsbezogen unterstützen soll. In state-of-the-art AR-Brillen sind eine Vielzahl von Sensoren integriert - wie z. B. Eye Tracking - mit denen menschliches Verhalten untersucht werden kann. Eye Tracking ermöglicht es dabei, tiefe Einblicke in die Wahrnehmung und kognitiven Prozesse von Chirurginnen und Chirurgen zu erlangen und damit den Menschen in das Zentrum der technischen Entwicklung zu stellen.
«Von Anfang an basierte unsere Zusammenarbeit stark auf Vertrauen.»
CS: Ende 2020 wurde an der Universitätsklinik Balgrist die erste holographisch navigierte Wirbelsäulen-Operation durchgeführt. Was haben Sie von technologischer Seite dazu beigetragen?
JW: Mit Eye Tracking Studien konnten wir ein sehr gutes Verständnis des Verhaltens der Chirurginnen und Chirurgen aufbauen, was eine gute Grundlage für die Entwicklung technischer Lösungen geschaffen hat.
FL & MvA: Viele der Technologien vom WP3, welche für die Operation genutzt wurden, haben wir 2019 in einem Paper beschrieben. Dazu gehören das Erkennen und Tracken eines Markers, Digitalisierung der Knochenoberfläche, Registrierung auf Basis dieser Oberfläche und Navigation der Schraubenplatzierung.
CS: Sie haben sehr eng im Team zusammengearbeitet, welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
MvA: Unsere Zusammenarbeit war sehr angenehm und produktiv. Da unsere Projekte thematisch verflochten waren, haben wir uns auch ausserhalb der regelmässigen SURGENT Meetings miteinander abgestimmt, um die Arbeitsabläufe zu optimieren und Redundanzen zu minimieren. Von Anfang an basierte unsere Zusammenarbeit stark auf Vertrauen, weshalb wir gern auch Software, Hardware und Konzepte miteinander teilten. Eine solch enge Zusammenarbeit ist in akademischen Umgebungen nicht selbstverständlich, war aber essenziell für das Erreichen unseres Zieles einer chirurgischen Navigation mittels Augmented Reality.
JW: Wir haben regelmässige Meetings abgehalten, sowohl untereinander als auch in der PhD Gruppe des SURGENT Projekts. Dadurch waren alle Projektmitglieder sehr gut integriert, und wir konnten Erfahrungen austauschen. So ein Treffen auf PhD Ebene empfehle ich jedem Projekt, da sich hier gegenseitig geholfen wird und man ein «wir» Gefühl erzeugt. Die Herausforderung war sicherlich, sich auch in den stressigen Phasen des PhDs regelmässig zu treffen und das nicht hintenanzustellen.
FL: Da kann ich mich nur anschliessen. Vielleicht kann ich ergänzen, dass eine solche Zusammenarbeit nicht nur inhaltlich, sondern auch persönlich sehr wertvoll sein kann. Eine gute Chemie auch ausserhalb der arbeitsbezogenen Fragen ist unglaublich wertvoll und hat (meistens) auch einen positiven Einfluss auf Motivation und Produktivität.
CS: Sie haben alle drei einen technischen Hintergrund. Wie erlebten Sie die Zusammenarbeit mit den Chirurginnen und Chirurgen, und was waren die Herausforderungen dabei?
MvA: Die Zusammenarbeit mit den Operierenden war essenziell, da sie die Endnutzer sind und wir unsere Forschung für sie und für unsere Patientinnen und Patienten machen. Die Operierenden kennen zudem die Operationen bis ins Detail und wissen genau, welche Schritte aus welchen Gründen herausfordernd sind. Sie können am besten abschätzen, wo sie gerne Unterstützung hätten und was sonst noch zu beachten ist (Kompatibilität Operationsbesteck und -geräte, Sterilität, Abläufe, etc.). Andererseits ist die Ausbildung der Operierenden nicht primär auf technische Aspekte ausgelegt, weshalb die Definition von realistischen Anforderungen an eine Applikation im Rahmen eines solchen Projekts herausfordernd sein kann. Das unterstreicht, wie wichtig nicht nur die Kommunikation und die Definition von Schnittstellen für uns im Team war, sondern auch mit der Ärzteschaft.
JW: Ich fand es sehr gut, dass man sich in den verschiedenen Disziplinen auf Augenhöhe begegnet ist. So konnten wir jederzeit medizinische oder technische Inhalte diskutieren, bei den Chirurginnen und Chirurgen konnte man jederzeit auch einfache medizinische Sachverhalte nachfragen, bis ein gutes Verständnis vorhanden war. Allgemein gab es sehr grosses Interesse an unsere technischen Entwicklungen, was natürlich enorm motivierend ist.
«Die Herausforderung war sicherlich, sich auch in den stressigen Phasen des PhDs regelmässig zu treffen und das nicht hintenanzustellen.»
CS: Was gefiel Ihnen persönlich besonders an der Zusammenarbeit im Team, was haben Sie dabei gelernt, und was nehmen Sie davon für Ihren weiteren beruflichen Weg mit?
FL: Abgesehen vom zwischenmenschlichen Aspekt, welcher mir persönlich sehr gefiel, war es für mich vor allem beeindruckend, wie wir alle voneinander profitieren konnten. Nicht nur im beratenden Sinne, sondern auch ganz konkret durch das Austauschen von Erkenntnissen und Methoden, welche wiederverwendet und weiterentwickelt wurden. Es war eindrücklich zu sehen, wie stark auch eigentliche Einzelprojekte, wie PhD-Projekte, von einer gut funktionierenden Zusammenarbeit profitieren und dadurch an Qualität und Zeit gewinnen können. Der Austausch von Wissen und Methoden ist eine Investition, welche sich immer lohnt. Diese Einstellung möchte ich gerne beibehalten.
JW: Diese Zusammenarbeit hat mir gezeigt, wie das richtige Team und Arbeitsumfeld aussehen und wie viel Antrieb und Motivation man bekommen kann, wenn man sich einer gemeinsamen Vision verschrieben hat. Ein Team ist nicht nur die Summe seiner Teammitglieder, sondern lebt von Interaktion, Diskussion und Feedback und wächst daher weit über die Fähigkeiten des Einzelnen hinaus. Das hilft insbesondere auch in stressigen Phasen, weil der Druck sich auf mehrere Personen verteilt und man sich gegenseitig unterstützt.
«Der Austausch von Wissen und Methoden ist eine Investition, welche sich immer lohnt. Diese Einstellung möchte ich gerne beibehalten.»
CS: Haben Sie Tipps für Doktorandinnen und Doktoranden, die am Beginn ihrer Dissertation stehen?
MvA: Das Doktorat ist in vielfacher Hinsicht eine einzigartige Zeit. Man erhält einige Jahre Zeit, sich vertieft mit einem Thema zu befassen und hat dabei ein hohes Mass an Eigenverantwortung. Man kommt mit vielen Themen in Kontakt und hat die Möglichkeit, in verschiedenen Bereichen sehr viel zu lernen. Daher würde ich nicht versuchen, diese Zeit so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, um in der Akademie oder Wirtschaft Fuss zu fassen, sondern sich die Zeit zu nehmen, um möglichst viel zu lernen. Und manchmal hat man auf dem Weg zum Abschluss noch das Glück, Menschen kennen zu lernen, die zu Freunden werden.
FL: Auch wenn (vermutlich meistens) nicht alles nach Plan läuft - das Erstellen eines guten Forschungsplans im ersten Jahr ist enorm hilfreich. Es lohnt sich, die bestehende Literatur im Gebiet anzuschauen und die Ziele der Arbeit so genau wie möglich zu formulieren. Abweichen kann man immer noch. Davon abgesehen, ist meiner Meinung nach das Wichtigste, sich nicht von der Grösse eines ganzen Projekts einschüchtern zu lassen, sondern Schritt für Schritt zu nehmen. Denn es klappt auf jeden Fall!
CS: Das ist ein sehr schönes Schlusswort. Mit diesem Optimismus und Teamgeist werden Sie auch in Zukunft in der Wissenschaft Erfolg haben, ich wünsche Ihnen alles Gute dabei!